Sonntag, 8. März 2009

dreimal ganges und einmal polizei

ich kann nicht anders, ich muss heute einfach noch was schreiben.
ich hab's getan: ich habe im ganges gebadet und bin dreimal mit dem kopf untergetaucht. so muss man es naemlich machen, wenn man sein erstes bad im ganges nimmt. natuerlich in meinen kleidern, weil es sich fuer frauen nicht schickt, leicht bekleidet ein bad zu nehmen. (ein paar frauen, die hier vor einigen tagen im bikini badeten, wurden von indern verpruegelt)
danach entstieg ich den fluten tropfnass und setzte mich auf einen stein, um in der sonne zu trocknen.
ich kam ins gespraech mit einer franzoesin, die hier jeden tag herkommt und ein bad nimmt (etwas ausserhalb von rishikesh, wo das wasser sehr sauber, der strom aber auch sehr reissend ist).
nach einer weile fragte sie mich, ob ich ihr vielleicht einen gefallen tun koennte. sie kann naemlich kein englisch, ihr handy ist weggekommen und sie will jetzt bei der polizei eine meldung aufgeben.
so kam es, dass ich am selben tag zwar ein paar schlechte karmaschichten los wurde, aber ein paar neue sammelte.
ihre geschichte war die: sie war im freedom-cafe und hatte ihr handy dabei. am naechsten tag entdeckte sie in der frueh um fuenf, dass ihr handy nicht mehr da war. also ging sie zurueck ins freedom-cafe, um nach dem handy zu fragen. es war aber nicht gefunden worden. ihr schluss: jemand muss es gestohlen haben.
wir gingen also zur oertlichen polizeistation. erst sah es so aus, als wollte sich keiner unserer geschichte annehmen, dann wurden wir gebeten, an einem tisch im hof platz zu nehmen. man brachte zwei blatt papier, die man mit stecknadel zusammensteckte und zwischen die man ein kohlepapier legte. ausserdem drueckte man mir einen stift in die hand.
ich sagte: no writing-machine? you write? (mein englisch ist hier ziemlich basic geworden) nein, wir muessten unseren bericht schon selber schreiben.
ich sagte zu der franzoesin, es ist vielleicht besser, wenn wir nicht schreiben, dass sie erst am naechsten tag bemerkt hat, dass das telefon weg war. ich dachte, es ist ja hauptsaechlich fuer ihre versicherung. wir schreiben also nur, dass das handy im freedom-cafe wegkam und wahrscheinlich gestohlen wurde.
ich dachte, wir wuerden dann einen stempel bekommen, und die polizisten wuerden das papier zu den akten legen und sie koennte ihr exemplar ihrer versicherung in paris geben.
aber so war es nicht.
auch wenn die polizisten einen so desinteressierten und unorganisierten eindruck machten, so folgten sie doch einem strengen prozedere.
es wurde also irgendein chef wahrscheinlich vom sonntaeglichen mittagessen weg- und in die polizeistation gerufen, wo er mit rotem t-shirt und gelben sturzhelm auf einem moped ankam.
er hoerte sich unsere story an, von ihr auf franzoesisch erzaehlt, von mir auf englisch uebersetzt.
erstmal mussten wir uns von ihm belehren lassen, dass andauernd touristen kommen, die den verlust irgendwelcher gegenstaende melden, und dann stellt sich heraus, dass sie diese an inder verkauft haben und nur den stempel fuer ihre versicherung brauchen. das breitete er lange und ausfuehrlich aus, verbreitete dabei sehr viel testosteron, und ich nickte dazu.
punkt eins. er glaubte unsere geschichte, weil die franzoesin eine "old lady" sei.
punkt zwei. warum kommt sie erst heute, um die meldung zu machen, obwohl das telefon schon seit drei tagen weg ist (die polizei hatte sich uebrigens im datum geirrt, die wussten wohl nicht, dass heute frauentag ist und diktierten mir den 7. maerz).
weil sie niemanden gefunden hat, der franzoesisch und englisch kann, so ich, und sie mich erst heute getroffen hat.
dieses argument wollte er ueberhaupt nicht einsehen. die polizei kann dolmetscher zur verfuegung stellen. sie haette sofort irgendeinen polizisten auf der strasse ansprechen koennen. der haette das cafe mit staatsgewalt oeffnen lassen usw.
punkt drei. unsere (meine) formulierung, dass das handy "wahrscheinlich gestohlen wurde", sei eine starke anklage, der sie nachgehen muessten usw., dazu braucht es mehr, zeugen, blabla usw.
ob es irgendeinen beweis dafuer gibt, dass das telefon wirklich existiert hat. welche telefonnummer das telefon hatte. ob sie die nummer gesperrt hat.
ich musste die ganze zeit zwischen englisch und franzoesisch hin- und heruebersetzen, aber glaubt bloss nicht, dass mein franzoesisch besonders gut ist.
ploetzlich stand der blasse besitzer des freedom-cafes vor dem tisch, herbeigeholt von ein paar nebenpolizisten. jetzt wurde das gespraech auf hindi gefuehrt, und wir verstanden natuerlich kein wort, sahen bloss, dass dem freedom-cafe-besitzer der arsch auf grundeis ging.
ich bereute schon zutiefst, dass ich das mit dem "gestohlen" geschrieben hatte, sah mich schon wegen betrugs zehn jahre in einem indischen gefaengnis sitzen (oder wegen versuchten betrugs, was vielleicht nur fuenf jahre gegeben haette).
und was ging mich eigentlich die versicherung der franzoesin an? und ihr telefon? wieso mischte ich mich eigentlich ein? wieso hatte ich nicht einfach ihre version der geschichte aufgeschrieben? wieso hatte ich versucht, superschlau und eine versicherungsbetruegerin zu sein?
der besitzer des freedom-cafes sah aus, als gingen ihm auch verschiedene gefaengnisstrafen durch den kopf sowie die zustaende in den indischen gefaengnissen.
er fragte uns (mich) dann, ob wir das wirklich so schreiben wollten, dass das handy wahrscheinlich gestohlen wurde, und ob uns klar sein, was fuer eine anklage wir da gegen sein cafe richteten.
neinnein, versicherte ich schnell, ich wollte den rueckwaertsgang einlegen. ("koennen wir bitte neues papier bekommen?")
die wortschwaelle auf hindi gingen weiter, ich hatte ueberhaupt keine ahnung, in welche richtung sich die geschichte weiterentwickelte, aber da stand schon ein polizist mit zwei neuen blatt papier in der hand da und steckte sie wieder fein saeuberlich mit stecknadeln zusammen.
inzwischen hatten ungefaehr zehn personen an unserem kleinen tisch im hof der polizei platz genommen und ungefaehr genauso viele standen herum und hoerten interessiert zu.
ich schrieb also eine neue version der geschichte, knuellte die andere zusammen und steckte sie schnell in meinen rucksack.
wir meldeten hiermit den verlust eines handys an, zuletzt gesehen im freedom cafe am soundsovielten um soundsoviel uhr.
einer der polizisten verschwand und kam dann mit der gestempelten blaupause zurueck. wir konnten gehen.
der besitzer des freedom-cafes wandte sich im gehen an uns. ob wir in einer halben stunde in sein cafe kommen koennten? er wuerde noch einmal mit allen seinen angestellten sprechen.
inzwischen war ein noch hoeherer polizist angekommen, der uns noch einmal anhielt.
was los sei.
er wollte die stempelei wieder rueckgaengig machen, weil wir die meldung viel zu spaet abgegeben haetten.
aber die anderen polizisten, die inzwischen eine art zuneigung zu uns gefasst hatten, ueberredeten ihn, die sache jetzt auf sich beruhen zu lassen.
(am nebentisch im internetcafe sitzt uebrigens ein englaender, der gerade einem freund in england ueber skype von seinen coolen indien-erlebnissen erzaehlt.)
wir gingen dann doch direkt ins freedom-cafe, weil ich inzwischen ziemlichen hunger hatte (es war halbvier geworden).
zu unserer ueberraschung wimmelte es im cafe von polizisten. wir sahen auch den beamten mit dem roten t-shirt wieder. er kam auf die franzoesin zu und hielt ihr ein handy entgegen.
ob das ihr telefon sei?
es war ihr telefon.
obwohl die franzoesin zweimal in dem cafe war, um nach ihrem handy zu fragen, hatten die angestellten offensichtlich nicht verstanden, was sie wollte (sie konnte ja kein englisch), und alle waren jetzt angepisst, dass sie zur polizei gegangen war. jedenfalls war das ihre version.
die polizisten tranken cola und assen pommes frites, bevor sie verschwanden, ohne uns noch einmal eines blickes zu wuerdigen.
und ich ass einen falafelteller und trank auch eine coca cola.
die franzoesin, die mir nur ihren spirituellen namen gesagt hat, den ich mir nicht merken konnte, war uebrigens eine total faszinierende person.
sie war zum glueck ziemlich redselig, und ich liess mir von ihr die verruecktesten geschichten erzaehlen. zum beispiel die geschichte darueber, wie sie ihre zelle besucht hat, die aussah wie eine hostie, die auf wellen schaukelt.
oder so. ich kann auch nicht behaupten, dass ich alles genau verstanden habe.
sie war seherin und heilerin und konnte ueber erleuchtungserlebnisse en masse berichten. ich glaubte ihr alles, weil sie wirklich all das ausstrahlte, was sie sagte. und weil sie dabei witzig war.
sie wollte gern, dass ich in ihrem guesthouse wohne, wenn meine zeit im ashram rum ist, und ich liess mir das guesthouse zeigen. es war wirklich total schoen, mit einer terrasse, von der aus man ueber rishikesh und den ganges blickt. ihr zimmer ist gross und hell, das badezimmer neu gekachelt und sauber, und sie zahlt genauso viel wie ich in meinem ashram.
zwei affen fauchten uns an, auch nachdem wir ihnen eine mandarine zum fressen gegeben hatten.
wir trennten uns dann. sie war total dankbar fuer meinen einsatz, aber ich hatte eher das gefuehl, alles ziemlich durcheinander gebracht zu haben.
ich glaube, ich muss bald wieder im ganges baden, um das schlechte karma des heutigen tages loszuwerden...

2 Kommentare:

KP hat gesagt…

Wir haben gestern bis in die Puppen Geburtstag gefeiert und natürlich auch Deiner gedacht. Viele haben nach Dir gefragt "Was macht sie denn in Indien?" "Ist sie da beruflich oder privat" und ich habe brav geantwortet, immer etwas anders, damit mir nicht langweilig wird. Das Fest war super. Grüßle!

Sabine Neumann hat gesagt…

achja schoen. waere natuerlich auch gern da gewesen. aber ich mache hier immer schon um neun uhr schlapp, was halbfuenf eurer zeit ist, und da haette ich von dem fest wahrscheinlich gar nichts mitbekommen...