Dienstag, 3. März 2009

3. was ein mensch so macht

(diesen eintrag habe ich eigentlich gestern schon mal geschrieben, aber dann kroch der internetmann unter meinen tisch und sagte, just a minute, und ich dachte noch, soll ich jetzt vielleicht vorsichtshalber auf "speichern" druecken, aber da hatte er schon das stromkabel herausgezogen, und alles geschriebene war verschwunden. ihr koennt euch vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe. er murmelte was von "technical problems", aber es tat ihm wirklich leid.)
also, wo war ich stehen geblieben.
als ich mich um sieben uhr anzog und hinunter zur rezeption des "star palace" ging, um zu sagen, dass ich von hier weg will, auschecken, um jeden preis in der welt, da begegnete man mir mit gleichmut. eigentlich, dachte ich, ist es vielleicht hier gar nicht so schlecht. bei tageslicht besehen sieht ja alles immer ein bisschen rosiger aus. nicht mal die erhoehten parkgebuehren fuers taxi wollte der mann an der rezeption jetzt haben.
sogar der boiler in meinem "badezimmer" funktionierte. das haette ich mir nie gedacht, weil naemlich die haelfte von diesem boiler irgendwie an ein paar duennen kabeln hing.
ich schuettete also heisses wasser ueber mich, fuehlte mich zwar furchtbar unausgeschlafen, aber wie eine art mensch, und ging mit meinem rucksack hinaus in die kuehle delhi-morgenluft. also wenn ihr euch jetzt eine normale strasse vorstellt und einen buergersteig oder so was, dann kann ich nur sagen: falsch. falsch. falsch. es war eine art hinternebengasse, schmal und staubig.
gleich neben dem hotel "star palace" fiel ich ein paar stufen hinunter in ein kleines schummeriges cafe, das sich "momos cave" nannte und ungefaehr fuenfzehn plaetze an vier tischen hatte. eine art gemuetliches wohnzimmer mit chinalaternen und marokkanischen hockern, und an der wand war ein buecherregal, in dem englische, deutsche und sogar schwedische buecher standen.
"momos cave" war voellig fuer die beduerfnisse von travellern eingerichtet und auch nur von solchen besucht. am nebentisch sassen zwei indienerfahrene reisende aus mexico, die gerade einem jungen mann aus korea erklaerten, was man in delhi alles machen konnte.
ich ass ein "healthy breakfast", das aus muesli mit fruechten und joghurt und honig bestand (nur wer zwei monate in indien gewesen ist, weiss, wie gut ein muesli schmecken kann) und trank dazu einen milchkaffee (dito!).
dann machte ich mich auf die suche nach einer autorikscha, was natuerlich nicht schwer war.
der erste rikschafahrer war sofort bereit, mich zur jugendherberge zu fahren, obwohl er nicht genau wusste, wo sie lag. wir vereinbarten einen preis, der natuerlich viel zu hoch war, aber ich hatte keine kraft zum kaempfen mehr und kannte auch delhi nicht gut genug und liess ihn durch nebenstrassen kurven (damit mir der weg laenger vorkam), ohne zu protestieren, fragte ihn nach seiner familie und war insgesamt ziemlich nett. schliesslich brachte er mich aus der hoelle weg. als ich ihm schliesslich die 200 rupies in die hand drueckte, kuesste er sie, bevor er sie in die hemdtasche steckte und nannte mich seinen "gott". naja, das war ein leicht erworbener titel.
die jugendherberge liegt in new delhi, im diplomatischen viertel, und eigentlich kann man sich nicht vorstellen, dass eine stadt solche extreme beherbergt. hier sind die strassen breit, der himmel hoch, es stehen baeume herum, der verkehr ist maessig. es ist ein reiches, reiches viertel, aber deshalb faehrt man ja eigentlich nicht nach indien.
mann, war ich erleichtert, als ich in der rezeption der jugendherberge sass. alles war so sauber und ging irgendwie so geordnet vor sich. sogar fuer meinen schwedischen jugendherbergsausweis hatte ich ploetzlich verwendung.
ein bett im mehrbettzimmer kostet 150 rupies, das sind umgerechnet 2 euro 50. inklusive fruehstueck.
weil grade geputzt wurde, machte ich mich auf einen spaziergang durchs diplomatenviertel. ich kam sogar an der deutschen botschaft vorbei, vor der ich stehenblieb und ueber die mauer auf die verspiegelten fenster blickte, um zu denken: da sitzen leute, die fuer dich da sind. fuehlte sich irgendwie einen moment lang erhebend an.
eine sehr breite paradestrasse war in abstaenden von ungefaehr hundert metern von vielen polizisten gesaeumt, die mir immer aufgeregt zuwinkten, was aber nicht bedeutete, dass ich dort nicht gehen durfte, nur, dass ich mich irgendwie beeilen sollte. ich verstand es nicht genau und ging einfach weiter. schliesslich wurde ich von einem polizisten ganz von der strasse weg- und in eine gruenanlage hineingewunken, wo schon ein paar leute standen, als faende eine verschwoerung im gebuesch statt. ich bekam die erklaerung, dass wir hier ein paar minuten warten muessten, bis irgendeine wichtige person mit polizeieskorte vorbeigefahren waere.
nach einem kurzen mittagsschlaf in der jugendherberge (ich kann diese jugendherberge nicht genug loben. alles total sauber. der schlafsaal, in dem sechs betten stehen, hat ein eigenes klo und eine eigene dusche) versuchte ich irgendwie das oeffentliche transportsystem dieser stadt zu erkunden.
ich hatte naemlich die indischen rikschafahrer ziemlich satt.
nach einigem herumirren und fragen fand ich schliesslich auch einen bus, der mich zur metrostation "central secretariat" fuhr, und von dort nahm ich eine metro nach old delhi.
die u-bahn hier hat ein seltsames token-system. man kann auf einem plan nachschauen, wieviel rupies es zu der u-bahn-station kostet, die man ansteuert, und dann kauft man an einer kasse einen entsprechenden token. erst dachte ich, ich kann ja gleich zehn tokens kaufen, kaufte aber dann erstmal nur zwei, einen fuer die hinfahrt und einen fuer die rueckfahrt.
jetzt weiss ich, dass man immer nur einen token kaufen darf. ein kontrolleur zog meinen zweiten token ein und schaute mich mit ironischem laecheln an. erst dachte ich, he, spinnt der. dann kam sofort ein englischsprechender inder zur hilfe, konnte aber meine aufregung auch nicht besaenftigen. ich sagte schliesslich zu dem laechelnden kontrolleur. sie brauchen gar nicht so zu laecheln, ich bin schliesslich fremd hier und kenne ihre regeln nicht.
dann fing ich zum ersten mal an diesem tag wirklich an zu heulen.
draussen vor der u-bahnstation lag erstmal eine reihe bettler. ein mann mit von der lepra zerfressenen haenden. ein mann mit einer voellig infektierten hand. ein paar uebel aussehende hunde. kinder, die gleich die haende ausstreckten nach mir.
ich war an meiner indiengrenze angelangt.
jeder arme fahrradrikschafahrer, der mich mit "hallo, ma'm" zu werben versuchte, wurde erstmal angeschrien: will you please leave me alone? ich tat mir ehrlich ziemlich leid und ging schlucksend weiter.
liess mich in die gassen von old delhi hineinziehen. kam zur moschee jama masjid, wurde aber nicht eingelassen, ob es daran lag, dass ich eine frau war und gerade irgendeine besondere zeit nach oder vor irgendeinem gebet oder vor dem sonnenuntergang war, spielte eigentlich keine rolle fuer mich. ich hatte alles satt, setzte mich auf die stufen und versuchte mich zu sammeln.
ploetzlich spritzte was von hinten gegen meinen ruecken. ich drehte mich um. ein paar stufen ueber mir kotzte ein mann.
naja. ich weiss nicht, ob es jemanden wundert, dass ich delhi ziemlich scheisse fand.
ich trank in einem auf autoreifen spezialisierten viertel einen tee an einem stand. als ich den tee schon fast ausgetrunken hatte, sah ich das wasser, in dem die teeglaeser abgespuelt wurden. es hatte ungefaehr teefarbe.
der teeverkaeufer spuckte in einem strahl eine rote fluessigkeit auf den boden.
ich hatte immer noch nicht genug. schliesslich litt ich unter schlafmangel und bewegte mich wie einer schlafwandlerin. kennt vielleicht jemand diesen zustand?
liess mich also weiter durch die gassen treiben. es zeigte sich, dass ich in einem muslimischen viertel gelandet war. verschleierte frauen, maenner mit kaeppi. enge gassen, und trotzdem fahrradrikscha- und mopedverkehr in beide richtungen.
hammel und schafe an kurzen leinen oder ketten, die gefuettert und spaeter geschlachtet werden.
huehner in enge kaefige gepfercht, und neben ihnen werden ihre artgenossinnen gekoepft und gerupft und gleich gegrillt.
ich stolperte einfach irgendwie so weiter. es war, als ginge es staendig bergab und wuerde staendig dunkler oder duesterer. schliesslich war ich am ende meines muts angelangt. alles kam mir heute so bedrohlich vor.
ich stieg also auf eine fahrradrikscha und liess mich wieder zu u-bahn fahren. von dort aus zurueck zur jugendherberge. ich traf meine zimmergenossin, eine junge frau aus kaschmir. ich duschte und dann ging ich mit der jungen frau, die saba heisst, abendessen im speisesaal der jugendherberge.
sie erzaehlte mir was von kaschmir, ihr erzaehlte ihr was vom hotel "star palace", und um halbneun legten wir uns schlafen. ich schlief sofort ein und schlief wie ein stein die ganze nacht.
sorry, dass dieser eintrag so lang wurde. hoffe, ihr seid nicht eingschlafen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nu förstår jag Delhi bättre, tack. Skrev mailet innan jag hade läst. Du målar upp det fantastiskt. Män jag tycker ändå du skall titta på Taj Mahal! Å det gör Bastet och Tsamikos också. (Uschi kallar B för Basket)

Sabine Neumann hat gesagt…

Basket ar braaaaa!