Samstag, 31. Januar 2009

internetpause auf dem elefantenberg

sorry dass ich einfach so sang- und klanglos hier eine unverzeihlich lange pause eingelegt habe (und danke all meinen engagierten lesern!).
aber das kam so: erstmal hab ich mir wieder (auf der zugfahrt von chidambaram nach tiruchirapally) eine erkaeltung zugezogen und konnte einfach keinen fuss in ein verschwitztes internetcafe setzen.
dann sind wir nach kerala gefahren und dort sogleich in die berge entschwunden, und da bin ich zwar von meiner erkaeltung genesen, aber ein internetcafe war dort nicht in sicht (ich konnte nicht mal sms-en von dort aus).
aber wie kann ich jetzt eine zusammenfassung der letzten vierzehn tage liefern?
es ist voellig unmoeglich.
vielleicht hilft eine simple aufzaehlung
1. der shiva-tempel in chidambaram mit seinen unbegreiflichen ritualen, hunderte von brahminen mit einer schicken knotenfrisur. dort sah ich eine kuh eine plastiktuete fressen und liess mich mit einer art messingschale segnen, die man mir kurz auf den kopf stuelpte. ausserdem habe ich wieder mal heiliges wasser geschluerft.
2. eine bootsfahrt auf den backwatern von pichivaram (den namen habe ich gerade erfunden!). der bootsfahrer fing ploetzlich an, ein endlos langes improvisiertes lied ueber einen bootsmann und sein boot zu singen.
3. auf der zugfahrt von chidambaram nach tiruchirapalli fragten mich meine zwei nachbarinnen, zwei indische maedchen (elf und zwoelf jahre alt), was fuer eine seife ich benuetze, weil meine haut so weiss ist...
4. dann holte ich meine brille im st.joseph's eye hospital ab. es sind nicht die brillenglaeser, die lila sind, sondern das gestell, aber es hat bei der bestellung ein missverstaendnis gegeben, was fuer indien so typisch ist, dass ich es kaum fuer erwaehnenswert halte, und, naja, mal sehen, ob ich sie in den naechsten jahren mal aufsetzen werde.
5. wir fuhren also nach palakkad. pia und ich. wir hatten es ploetzlich so satt zu reisen. wir wollten irgendwo sein, unsere taschen auspacken, am besten weit weg vom laerm und dreck und gestank der staedte. also nahmen wir einen bus nach nelliampathy, einen winzigen ort inmitten von tee- und kaffeeplantagen in 1500 m hoehe und mieteten uns in einem guesthouse mit dem schoenen namen 'ciscilia heritage' ein, wo wir beschlossen, neun tage zu bleiben. wir waren meist die ganze zeit die einzigen gaeste im haus, betreut von einem wunderbaren wesen mit dem namen appu. nur ueber das wochenende kamen ein paar indische mittelschichtsfamilien mit ihren mittelschichtsgewohnheiten, darueber vielleicht spaeter mehr.
um dorthin zu kommen, musste man von nelliampathy einen der vielen jeeps nehmen, in denen die jungen maenner des ortes den ganzen tag lang auf kunden warten. der jeep brauchte fuer die sechs kilometer ungefaehr zwanzig minuten, was etwas ueber den zustand des weges aussagt.
aber erst als wir die zweistuendige jeepfahrt nach manpaara gemacht hatten (viewpoint, gaanz wichtig in indien), hatte ich das gefuehl, wirklich in die extreme dessen eingeweiht worden zu sein, was man landlaeufig strassen oder wege nennt.
der besitzer unseres guesthouses hatte den schoenen namen joe sunny, seine frau hiess femmi, sie waren grosse gartenphantasten, und sie ueberschlugen sich darin, uns jeden tag neue spezialitaeten der kerala-kueche aufzutischen. gestern haben sie uns einige rezepte verraten, und wir haben eine vereinbarung: wenn ich das naechste mal komme, dann bekomme ich einen privaten kochkurs.
heute haben wir ausgerechnet, dass uns diese rundum-versorgung pro tag ungefaehr 10 euro per person gekostet hat. fuer indien sind das gehobene preise. fuer uns ist das erschwinglicher luxus.
taeglich haben wir wanderungen und spaziergaenge in die umgebenden teeplantagen gemacht, haben mit den arbeitern geredet, die den tee gepflueckt haben (ungefaehr 3 woerter), und jedesmal, wenn ich an einem speziellen stein vorbei kam, habe ich eine banane fuer die affen dagelassen, die auch naechstes mal garantiert weg war.
an den abenden sind wir immer auf unseren hausberg gestiegen, ein aufstieg von ungefaehr einer halben stunde, wo man einen wunderbaren ausblick hatte, und dort haben wir uns in die abendsonne gesetzt und auf die tiere gewartet.
wir haben riesige schwarze hirsche gesehen und einen bisonochsen. wir haben kleinere zierliche rehe gesehen und drei verschiedene sorten affen (eine art silberner punk-affe von unserer fruestuecksterrasse aus), wir haben rieseneichhoernchen gesehen und viele glueckliche kuehe (worueber man in indien schon froh ist), und ausserdem haben wir viel elefantenkacke gesehen und die ganze zeit gehofft, dass uns doch irgendwann einmal so ein ruesseltier ueber den weg laeuft. was wir dann gemacht haetten, weiss ich allerdings nicht.
die tage waren unterteilt in dreimal essen, einmal tea time, der rest war wandern und lesen und viel schreiben.
es gab den regenschirmmann, den shortsmann , streifenmann und den kuhmann.
allein darueber koennte ich eine menge schreiben.
von den pflanzen habe ich jetzt gar nichts gesagt. heute morgen, kurz vor unserer abfahrt durften wir noch jede eine frische passionsfrucht ausloeffeln und die ayurvedapflanzungen des gelaendes bewundern. wir haben viele, viele fotos gemacht.
so, und morgen trennen sich unsere wege. pia faehrt nach chennai und fliegt von dort nach hause. und ich fahre nach kodaikanal, wo ich im bodhizendo angemeldet bin. ob es dort ein erreichbares internetcafe gibt, weiss ich nicht. ich hoffe aber, dass ich euch bald wieder auf dem laufenden halten kann.
jetzt ist jedenfalls erst mal stille angesagt und meditation. ich hoffe, dass ich den ganzen februar dort bleiben kann.

Freitag, 16. Januar 2009

erste krise, augen, tempel

heute ist die reise an ihrem ersten tiefpunkt angekommen. das liegt vielleicht daran, dass trichy, wenn man nichts besonderes vorhat, nicht viel mehr ist als eine heisse, laermende, stinkende und schmutzige stadt.
es liegt aber moeglicherweise auch daran, dass mir heute im st. joseph's eye hospital bestaetigt wurde, dass ich jetzt progressive brillenglaeser brauche.
habe mir also nach einer gruendlichen untersuchung durch drei verschiedene personen eine neue brille bestellt.
das gestell ist lila. auch diese tatsache stuerzte mich in eine tiefe krise. ich konnte nicht glauben, dass ich mich fuer ein lila brillengestell entschieden hatte.
jetzt warte ich mit beben auf den naechsten mittwoch. dann kann ich sie abholen.
zwei nachmittagsstunden verbrachte ich am hotelpool und versuchte, ein paar artikel in der lettre zu lesen, die ich noch von zu hause mitgebracht habe, ueber die wirtschaftskrise und so.
neben mir huepften pausenlos zwei indische jungen so ins wasser, dass es ordentlich spritzte, ueberwacht von ihrer ernsten mutter, die im sari am beckenrand sass.
die jungen trugen eine weisse schnur quer ueber den oberkoerper. solche schnuere sahen wir auch gestern im tempel srirangam die oberkoerper junger maenner schmuecken, es ist irgendein religioeses zeichen oder symbol.
pia und ich verirrten uns im inneren des tempels in irgendeinen heiligen und umzauenten bereich und wurden sofort von fuchtelnden und rufenden priestern daraus vertrieben.
dann kamen ein paar junge maenner mit weissen lendentuechern, die auf einer art saenfte eine mit stoff gehuellte goetterfigur dorthin trugen.
einen hindu-tempel hat man sich nicht als ein gebauede vorzustellen. es ist eher ein eingezauenter hof, und im inneren, in einem dunklen raum, befindet sich eine statue der gottheit, der der tempel geweiht ist. nicht-hindus haben zu diesem innersten raum keinen zutritt.
die hindus umschreiten diese heilige statue dann mehrere male im uhrzeigersinn.
beim betreten des raums schlagen sie eine glocke, um den gott auf ihre anwesenheit aufmerksam zu machen.
wer hindu ist, entscheidet das aussehen. es ist naemlich nicht moeglich, zum hinduismus zu konvertieren. man wird als hindu geboren.
(nicht, dass ich mich auch nur im mindesten davon angezogen fuehlen wuerde.)
ein tempelgelaende ist wie eine art volksfest. man kann dort essen kaufen, aber auch alle moeglichen devotionalien und seltsamerweise kuechengegenstaende (das bringt vielleicht glueck!). viele besucher, die meisten sind von weither gereist, legen sich auf den boden und schlafen.
grossfamilien verzehren auf dem boden sitzend ihr mitgebrachtes essen.
vor dem tempel muss man seine schuhe abgeben. schuhe sind unrein, nicht nur, weil sie mit dem schmutz der strasse in beruehrung gekommen sind, sondern auch, weil sie aus der haut toter kuehe gemacht sind. die schuhe werden dann saeuberlich in numerierte faecher gelegt, und nach dem tempelbesuch kann man sie wieder abholen.
naja, saeuberlich ist so eine sache. nichts ist in indien richtig saeuberlich, auch wenn das meiste einen unerhoert gut organisierten eindruck macht.
als opfergaben werden im tempel u.a. kokosnuesse verkauft. ich habe gestern gelesen, dass das eine art symbolisches menschenopfer ist. schliesslich hat eine kokosnuss eine harte schale mit haaren drauf. ausserdem hat sie drei augen: die zwei gewoehnlichen augen, mit denen man die aeussere welt sieht, und das dritte auge, das in der lage ist, tiefer zu blicken. soviel zur aehnlichkeit zwischen kokosnuss und mensch.
srirangam ist einer der groessten tempel indiens. er besteht aus sieben konzentrischen hoefen, die von mauern umgeben sind. man geht durch riesige turmhohe tore hinein, die mit allen moeglichen goetterfiguren in schreienden farben geschmueckt sind.
ich stellte mich in eine schlange, in der heiliges wasser ausgeteilt wurde.
als er mich sah, sagte der priester leise, aber deutlich: "holy water! drink!", und schoepfte dann mit einer kleinen kelle wasser auf meine handflaeche.
gehorsam schluerfte ich das wasser in mich hinein und strich mir dann auch mit der hand uebers haar, wie ich es bei anderen beobachtet hatte.
das wasser schmeckte wirklich heilig, als waere es mit einem raeucherstaebchen gewuerzt.
ich nahm aber abstand davon, mich von einem elefanten segnen zu lassen, als ich sah, wie eng die kette zusammengeschnuert war, die man um die fesseln seiner vorderbeine gelegt hatte.
fuer heute ist meine internetstunde schon wieder zu ende.
ich wuensche euch schoene wintertage, auf dem eis und im schnee, und muss sagen, dass ich euch ein wenig um die kaelte beneide...

Mittwoch, 14. Januar 2009

pongal

heute sind wir zurueck in der stadt, und ich sitze in einem schwuelen und laermenden internetcafe. es ist schwer, in dieser umgebung etwas von den erlebnissen der letzten tage zu erzaehlen.
niemand kommt nach indien, ohne veraendert zu werden.
wir wohnten im sacchadinanda ashram, einem ashram, der der begegnung von westlicher und oestlicher spiritualitaet gewidmet ist, wenn man das so bombastisch sagen kann.
wir wohnten ganz einfach. ich teilte meine kammer mit ein paar fledermaeusen und vielen muecken, hatte aber ein moskitonetz, das die muecken und die fledermauskacke abhielt, so dass ich gut schlief.
die tage begannen um fuenf uhr morgens, mit angelus und anschliessender meditation, und ab neun uhr abends war stille. auch waehrend des tages gab es stille zeiten. es war einem freigestellt, wie viel man an dem tagesablauf teilnehmen wollte, und ich schlief meistens laenger und ging dann gleich zum fruehstueck.
man ass im sitzen und wer wollte, servierte das essen fuer die anderen. das essen war auch sehr einfach. am morgen eine art reisbrei oder reispfannkuchen (dhosa) oder gedaempfte reisfladen (idly), dazu eine linsensosse (sambal), mittags reis und verschiedene sossen und gemuese, abends wieder reis und sosse. dazu gab es immer bananen, die auf dem gelaende des ashrams wachsen.
im ashram leben neun benediktinermoenche, die die gelb-orangefarbene kleidung der indischen sanyassins tragen. die meisten besucher kommen aus dem westen. der ashram unterhaelt auch etliche sozialprojekte im nachbardorf, z.b. ein altersheim, eine naehausbildung fuer junge frauen, 450 eier zweimal die woche fuer die kinder, freies schulmaterial fuer die aermeren kinder etc. ausserdem sind 25 dorfbewohner im ashram angestellt. der aufenthalt kostet nichts, aber man wird gebeten, eine spende zu hinterlassen.
es ist eine ganz besondere atmosphaere dort, schwer zu beschreiben. wenn man dort ist, kann man sich gar nicht vorstellen, jemals wieder zurueck in die stadt zu kommen.
und dann ist man hier, und schon ist das andere so unwirklich, weit entfernt.
heute wird in tamil nadu pongal gefeiert, ein erntedankfest, einer der groessten feiertage im jahr. ich ging nach dem fruehstueck ins dorf und wurde von allen leuten mit "happy pongal" begruesst.
pongal findet an drei tagen statt. am ersten tag ist house pongal, am zweiten tag ist cow pongal, am dritten tag ist play pongal.
am ersten tag werden die haeuser geschmueckt. schon tage vorher haben die leute geputzt, alles hinausgetragen und vor dem haus gewaschen.
vor die tueren streuen sie an diesen tagen besonders praechtige und farbenfrohe kolams, das sind grossflaechige ornamente, die mit reismehl gestreut werden. das ist normalerweise die aufgabe der frauen. sie machen es im morgengrauen, und es soll das haus schuetzen und wohlstand bringen.
seit tagen wird auf den strassen farbpulver in kleinen beutelchen verkauft.
die leute gehen an pongal zum fluss, um sich zu waschen. alte maenner sind mit seifenstueckchen und zahnbuersten unterwegs. die frauen gehen mit ihren kleidern in den fluss, waschen sich das haar. auch fahrraeder und autos werden gewaschen. auf der strasse hatte jemand geschrieben:
the night is beautiful
friends are helpful
pongal is joyful
morgen ist cow pongal. die kuehe werden gewaschen und mit bunten farbflecken und baendern geschmueckt. es wird ein besonderer brei gekocht, der pongalreis heisst. es gibt ihn in verschiedenen varianten. er ist ein wenig suess und sehr naehrreich. die kuehe bekommen ihren pongalreis zuerst serviert, auf bananenblaettern, dann essen die menschen. wer keine kuh hat, schmueckt seine ziege.
ich habe versucht, ein paar bilder hochzuladen, es hat aber nicht funktioniert.
am letzten tag, play pongal, werden im dorf spiele und wettkaempfe veranstaltet. fahrbahnen werden abgesperrt, und es ist nicht ganz einfach, mit dem auto voranzukommen.
ich habe heute im dorf ein paar kinder getroffen, von denen ich vor zwei jahren fotos gemacht habe. ich hatte die bilder dabei und gab sie ihnen. natuerlich wollten alle kinder bzw. alle dorfbewohner von mir fotografiert werden. ich lief mit einer ganzen wolke kinder durch das dorf. ich hatte ein paar stifte dabei, die ich verteilte, aber natuerlich gibt es immer ein kind, das enttaeuscht ist, weil es nichts bekommt. andere sind schlau und strecken einmal die rechte und einmal die linke hand vor.
die dorfbewohner sind stolz auf ihre kolams und freuen sich, wenn man sie fotografiert. ein mann wollte neben seinem frisch gewaschenen auto fotografiert werden.
jetzt ist meine stunde abgelaufen, aber morgen melde ich mich wieder.
schoene gruesse an alle, die das lesen!

Samstag, 10. Januar 2009

ueber intact special school

bevor es aufs land geht, noch ein neuer eintrag.
ich weiss naemlich nicht, ob es in thaneepalli und kulitthalai ein internetcafe gibt.
heute morgen bin ich vor dem fruehstueck im hotelpool 20 bahnen geschwommen. ich war ganz allein. die inder gehen nicht ins schwimmbad, glaube ich.
gestern haben wir einen besuch in der Intact Special School gemacht.
Intact Special School ist eine schule fuer geistig behinderte kinder in der naehe von trichy.
ein kleines und duennes maedchen sass in einem kleinen rollstuhl, mit grossen dunklen augen und einem ganz feinen und frohen laecheln.
karuna ebenezer, die leiterin der schule, erzaehlte, dass das maedchen in einem tempel ausgesetzt worden war und dann zu Intact gebracht wurde.
leute aus dem ort erzaehlten, dass die eltern zweimal versucht haetten, ihr kind zu vergiften.
dann hatten sie es ausgesetzt.
wir besuchten die kinder in ihren klassenzimmern, wo sie fuer uns sangen oder uns nur die hand schuettelten und lachten.
geistig behinderte existieren in der indischen gesellschaft nicht als personen.
in der schule lernen sie grundlegende fertigkeiten. sich waschen, aufs klo gehen, sich anziehen, essen. die begabteren lernen lesen und schreiben und rechnen.
alle schueler sollen in der schule lernen, ihren namen zu schreiben.
sie singen und tanzen viel, und jeden tag gibt es eine halbe stunde joga fuer alle schueler.
ausserdem haben sie einen swimming pool, in dem jeder schueler einmal in der woche schwimmt.
die lehrer stellen individuelle teilziele fuer jeden schueler auf, fuenf ziele fuer drei monate. nach drei monaten werden fuenf neue teilziele aufgestellt, die der schueler zu erreichen versucht.
vor ein paar jahren war die schule nur eine strohhuette. jetzt gibt es zwei zweistoeckige gebaeude und einen swimming pool.
von den 82 schuelern haben 50 einen sponsor. diese sponsorengelder finanzieren auch das personal, ich glaube es arbeiten ueber 40 leute dort, von denen einige ehemalige schueler sind. die gebaeude sind auch von sponsoren finanziert, die hauptsaechlich aus schweden kommen.
mit achtzehn jahren verlassen die schueler die schule.
das ist ein problem, da sie natuerlich so gut wie keine moeglichkeiten haben, in der gesellschaft einen platz, dh. eine arbeit, zu finden.
deshalb wurde ein anschlussprojekt gegruendet. es heisst opportunity camp.
zwoelf jugendliche bzw. junge erwachsene (sechs maedchen und sechs jungen) bekommen die moeglichkeit, auf einem stueck land die grundlagen des oekologischen anbaus zu lernen. sie bauen erdnuesse, linsen an, zuechten pilze, haben mehrere kuehe. die erdnuesse werden zu oel verarbeitet, die pilze verkauft, ebenso die milch.
auch die jugendlichen machen eine halbe stunde am tag joga.
wir sammelten geld in der gruppe ein, um ein neues buero fuer die schule zu finanzieren. jeder gab ungefaehr 40 euro, insgesamt etwa 700 euro.
wir trafen auch unser patenkind kausaliya. dies ist ein anderes projekt von Intact. maedchen aus armen familien in bergdoerfern wird die moeglichkeit gegeben, die schule zu besuchen. sponsoren in schweden bezahlen diesen schulbesuch, bis das maedchen seine ausbildung abgeschlossen hat. wenn das maedchen also waehlt, eine universitaetsausbildung zu machen, dann bezahlt man das bis zum ende des universitaetsbesuchs.
diese maedchen sind die ersten in ihrern doerfern, die lesen und schreiben koennen.
vor zwei jahren trafen wir kausalyia. damals war sie klein und sehr schuechtern. jetzt war sie schon selbstbewusster und redete ein bisschen englisch. zum abschied gab sie uns sogar ein bussi auf die backe.
ich fragte sie auch dieses mal, was sie einmal werden will. sie sagte, aerztin.
ich sagte, dann komme ich zu dir, wenn ich alt und krank bin. ihre lehrerin uebersetzte.
kausalyia spielte aerztin und hoerte mein herz ab.
wir gaben ihr ein paar geschenke (stifte und papier und eine schablone, mit der man buchstaben nachzeichnen kann) und bezahlten auch das geld fuer ihre reise.
es ist eine anstrengende tagesreise fuer sie. diese treffen sind aber wichtig, sagt thomas, der der leiter von Intact ist. die sponsoren sind nicht nur anonyme geldgeber, sondern richtige menschen. ausserdem motivieren diese begegnungen die maedchen natuerlich, weiterhin zur schule zu gehen.
ich fragte kausalyia, was ihr lieblingsfach in der schule ist. englisch, sagte sie. english is important. letztes mal sagte sie tamil, das ist die sprache ihres landes.
kausalyia hat eine geistig behinderte schwester, die zuhause lebt. ihre eltern sind arme feldarbeiter.
ohne das Intact projekt waere diese familie auf einer der niedrigsten stufen der indischen gesellschaft. aber bereits jetzt kann kausalyia, sie ist zehn jahre alt, lesen und schreiben und hat allein dadurch unendlich mehr moeglichkeiten.
jetzt habe ich viel geschrieben, und ich hoffe, es war nicht allzu langweilig zu lesen. es gibt wahrscheinlich ein paar tage pause, bevor ich mich wieder auf diesem weg melde.
uebrigens, es sind fuenfeinhalb stunden zeitunterschied zwischen indien und deutschland.
wenn es hier kurz vor elf am vormittag ist, so wie jetzt, liegt ihr wahrscheinlich noch in euren betten und schlummert.
alles gute und bis zum naechsten mal!

Freitag, 9. Januar 2009

trichy by night

und wieder sitze ich in einem internetcafe. es ist ueberhaupt nicht schwer, in indien ein internetcafe zu finden. es gibt sie an allen ecken. eine stunde surfen kostet 25-30 rupies, das sind ungefaehr 50 cent. eine stunde reicht, um meine mails zu lesen und etwas in meinen blog zu schreiben.
wir sind jetzt in tiruchirapally, kurz trichy genannt.
gestern kamen wir mit dem zug hierher.
es ist ein besonderes erlebnis, zug zu fahren.
erstmal ist mir aufgefallen, dass ich mich ueberhaupt nicht fuer den fahrplan interessierte, waehrend ich in deutschland oft dasitze und den "zugbegleiter" minutioes lese und kontrolliere, ob wir auch nicht irgendwo zwei minuten zu spaet abfahren.
hier entwickelt man irgendwie ein anderes verhaeltnis zur zeit.
ungeduld scheinen inder nicht zu kennen, und selbst wird man von ihrer gelassenheit angesteckt. ich sass am offenen fenster, liess mich vom fahrtwind anblasen und las die "zeit", die ich noch von der flugreise mit mir habe und die ich bis auf das letzte wort ausquetsche. das war natuerlich wegen des fahrtwinds nicht so leicht, vor allem, wenn ich versuchte, die zeitung umzublaettern.
dann wieder schaute ich hinaus auf reisfelder, halbtrockene flussbetten, doerfer, kinder, die dem zug zuwinkten, bunte dorftempel, flaches land, palmenhaine.
in einem beinahe ununterbrochenen strom gehen zugverkaeufer durch den zug und verkaufen tee, kaffee, frittierte linsenbaelle oder pepperoni oder reis mit gemuese, und an den bahnhoefen kommen die fliegenden verkaeufer ans fenster, mit kalten getraenken, mehr tee und mehr kaffee.
unser hotel in trichy ist ein ziemlicher luxuskasten, mit swimmingpool, mehreren geschaeften und restaurants und einer grossen empfangshalle. wir sind hier zwei naechte, und morgen fahren wir weiter aufs land, wo wir eher spartanisch wohnen werden.
wenn man das hotel betritt, kommen einem gleich mehrere uniformierte inder entgegen, die einem das gepaeck abnehmen und auch sonst jeden wunsch von den augen ablesen wollen.
heute oeffnete ich am nachmittag nur kurz die zimmertuer, weil ich glaubte, dass jemand geklopft hatte, da stand ein inder vom room service vor der tuer und fragte, ob ich vielleicht kaffee oder tee wollte oder sonst einen wunsch hatte. ja, wenn ich es mir recht ueberlegte, wollte ich kaffee. ich bekam also nach einer weile kaffee in einer kleinen thermoskanne. dann bezahlte ich und der mann ging wieder, um wenig spaeter zurueck zu kommen und mir die quittung mit dem stempel "bezahlt" zu ueberreichen.
es geht alles sehr korrekt zu. noch nie hat ein inder versucht, mich irgendwie uebers ohr zu hauen. ueberall werden quittungen ausgestellt, mit blaupause und stempel und am liebsten von mehreren leuten unterschrieben und kontrolliert.
ich hatte meine kleidung in mamallapuram selbst gewaschen, wollte sie aber hier zum buegeln bringen lassen (es ist wichtig, dass man gebuegelte kleidung traegt) und liess sie vom room service abholen. heute bekam ich sie zurueck, in zeitungspapier eingeschnuert, und als ich die blusen und hosen herausholte, entdeckte ich, dass in jede bluse ein zusammengefaltetes zeitungspapier eingeschoben war.
auf der strasse gibt es staende, an denen man seine kleider buegeln lassen kann. viele buegler benuetzen noch buegeleisen, die mit kohlen geheizt werden.
heute haben wir Intact Special School besucht. das ist eine schule fuer geistig behinderte kinder, und ich muss vielleicht morgen mehr darueber schreiben.
nachmittags schwamm ich im pool des hotels. dann sass ich auf dem balkon vor unserem zimmer, trank kaffee, las in der "zeit" und betrachtete die adler, die ueber der stadt schwebten.
(ich weiss, dass es adler sind, weil der poolwaechter es mir vor zwei jahren gesagt hat.)
es ist warm, kurz vor zehn uhr abends, im internetcafe laufen die ventilatoren. ausser mir sitzen nur inder in den kleinen orangefarbenen gehaeusen.

Mittwoch, 7. Januar 2009

erste tage in indien

ich sitze jetzt das erste mal in einem indischen internetcafe.
die tastatur klemmt ein wenig. ueber mir dreht sich ein grosser ventilator.
draussen hupt es und droehnt es. rikschas, busse, mopeds, autos fahren vorbei.
ich bin in mamallapuram, einem bildhauerdorf 50 km suedlich von chennai.
ein bildhauer neben dem anderen hat seine werkstatt am strassenrand.
sie haben taschentuecher vor ihre nase und ihren mund gebunden und schlagen und saegen in stein.
das ist das geraeusch, das einen den ganzen tag lang begleitet.
sie hauen shivas und krishnas und ganeeshas, buddhas, parvatis und die gesamte hinduistische goettergalerie in stein.
es hat in der nacht geregnet, und heute sind die wege und strassen etwas schlammig.
die ersten tage verbrachte ich damit, von einer erkaeltung zu genesen, die ich mitgebracht hatte.
in chennai lag ich den halben ersten tag im bett, dann ging ich vorsichtig hinaus und setzte mich in den garten, schaute den eichhoernchen zu, die auf baeume kletterte, den gaensen, die im garten herumwatschelten, und dem kommen und gehen durch das tor.
gestern kamen wir hier an.
eine frau unserer gruppe hatte eine magenerkrankung aus schweden mitgebracht und ich begleitete sie hier zum krankenhaus, wo sie von einer aerztin untersucht wurde.
das krankenhaus ist etwas anderes, als der name vielleicht suggeriert.
neben dem eingang stand eine rostige metallpritsche. man zog seine schuhe aus, und dann ging man in einen dunklen und ziemlich schmutzigen gang hinein.
weissgekleidete maedchen standen herum und sahen unsicher und schuechtern aus. erst nach einer weile begriff man, dass sie krankenschwestern darstellen sollten.
die aerztin, die im sari an einem unglaublich unaufgeraeumten tisch sass und einen gruenen mundschutz trug, war fuer eine inderin ungewoehnlich gross.
aber ihre assistentin, die kleine tablettenstreifen aus einem nachbarraum hereintrug und dann in kleine, aus zeitungspapier gefertigte tuetchen verpackte, war eine zwergin.
ich hatte sie zuerst fuer ein kleines ungefaehr siebenjaehriges maedchen gehalten.
wir waren insgesamt dreimal dort, dann durfte g. so viel bezahlen, wie sie fuer angemessen hielt. es wuerde den armen zugute kommen, die kein geld haetten, um ihre medizinische behandlung selber zu bezahlen.
die 'krankenschwestern' sassen zu viert hinter der rezeption und drehten in ihrer handflaeche watte zu kleinen baellen.
gestern suchte ich einen mann auf, den ich vor zwei jahren fotografiert habe. ich brachte das foto mit, das ich von ihm gemacht hatte.
er war ein blumenkettenverkaeufer.
ich war mir nicht ganz sicher, ob ich den richtigen blumenkettenverkaeufer gefunden hatte und fragte einen jungen mann auf der strasse, ob er den mann auf dem foto erkannte. er deutete auf den blumenkettenverkaeufer vor mir: this is the man.
ich gab ihm das foto, und er schenkte mir eine blumenkette. dann drueckte er mir die hand ueber seine blumentheke hinweg und sagte 'welcome in India'.
zum fruehstueck ass ich heute reispfannkuchen mit verschiedenen sossen vom bananenblatt.
ich habe jetzt eine inderin mit der linken hand essen sehen, seitdem wage ich selbst auch die linke hand zum essen zu benutzen.
zum mittagessen esse ich 'thali', auch vom bananenblatt und mit der hand, das sind verschiedene schaelchen mit sossen und reis dazu.
ein kleines kuriosum: in der 6-millionen-stadt chennai traf ich den rikschafahrer wieder, mit dem ich auch vor zwei jahren ein paar mal gefahren bin, und er erkannte mich wieder: MY FRIEND!
der indische verkehr ist eine sache fuer sich. seltsam ist, dass keiner wuetend zu werden scheint, selbst wenn es ein staendiges hupen und draengeln ist. mein rikschafahrer in chennai war ein meister des waghalsigen kurvens und setzte sich an jeder ampel an die spitze der schlange.
und staendig drueckte er die gruene troete, die am rahmen seiner rikscha angebracht war.
so das war erstmal der anfang.
heute faellt in mamallapuram staendig der strom aus. ich glaube, es liegt am regen. die computer scheinen aber notstromaggregate zu haben, so dass die bildschirme weiterleuchten und die daten nicht verloren gehen.
macht es gut zuhause und anderswo! bis bald.