Samstag, 14. März 2009

der heilige berg und ein horrorfilm aus israel

heute bin ich also gepilgert. ich schluckte meine gruene und meine braunen pillen, packte cashewnuesse und rosinen und sechs bananen sowie eine flasche wasser in meinen rucksack, schmierte mich mit sonnenmittel ein und lief los richtung stadauswaerts.
vom shivatempel hatte ich nur gehoert und dass man dorthin drei stunden bergauf laeuft (aber mit dem taxi zurueckfahren kann), deshalb lief ich sozusagen nach hoerensagen und in die richtung, in die ich gestern die pilger laufen gesehen habe, die kleine plastikflaschen mit gangeswasser vor sich hertrugen und sehr gesammelt und fromm aussahen.
vom sadhu, den ich fragte, bekam ich eine falsche wegbeschreibung, aber schliesslich war ich dann auf dem richtigen weg, einem betonierten (oder zementierten) pfad, der in den wald hineinfuehrte und auf dem ich gleich auf einen verkaufsstand stiess, an dem man u.a. affenfutter verkaufte, wozu ich mich hinreissen liess.
die ersten affen, die mir dann begegneten, sahen sofort das beutelchen in meiner hand, und jetzt war es natuerlich schluss mit possierlichem affenfuettern, koernchen-hinschmeissen usw., weil ich sofort aus angst vor dem groessten affen, der an mir hochzuklettern versuchte, das beutelchen hinwarf und seinem schicksal ueberliess (wahrscheinlich hat der grosse affe alles allein aufgefressen).
erst dachte ich, ich sei allein auf dem weg, der links und rechts eher einer muellhalde glich.
ich verstehe nicht wirklich, warum die inder allen abfall einfach an ort und stelle fallen lassen, als wuerde ihnen staendig eine grosse fegende mami hinterher laufen.
diese gleichgueltigkeit fuer umwelt und natur ging mir heute frueh ziemlich an die nieren.
als ich ungefaehr eine halbe stunde gelaufen war, hatte ich die ersten pilger eingeholt.
es war eine gruppe von vier maennern, vor denen ich angst gehabt haette, wenn nicht ein alter mann mit einem freundlichen gesicht dabei gewesen waere, mit dem ich ein paar worte wechselte. einer der maenner hatte eine sehr schlechte kondition und bewegte sich schnaufend, stoehnend und schlenkernd vorwaerts.
ich wusste nicht genau, ob es fuer sie eine provokation darstellt, wenn eine frau sie ueberholt. dass ich diese gedanken ueberhaupt dachte, sagt einiges ueber die ausstrahlung, die die indischen maenner in nordindien haben.
ich begegnete so allmaehlich einigen maennergruppen und sah ein, dass der berg nur von maennern bewandert wurde, jedenfalls heute, was natuerlich wieder gedanken in mir entstehen liess, ob sie es vielleicht unpassend fanden, dass eine frau hier herumlief.
andauernd ueberlegte ich, ob ich vielleicht angst haben sollte.
die blicke, die mir begegneten, waren selten freundlich, hauptsaechlich neugierig und ein wenig misstrauisch, wenn nicht sogar voller abneigung. ich habe es jedenfalls so wahrgenommen.
ich versuchte, immer freundlich zu sein und zu laecheln, fragte mich aber auch zwischendurch, ob das vielleicht die falsche strategie war.
ich liess ihnen den vortritt, sagte "namaste" und "tired?", wenn einer sich hinsetzte, um zu verschnaufen, ueberlegte dann gleich wieder ob diese frage vielleicht eine demuetigung und beleidigung fuer sie darstellte.
ich dachte an die geschmeidigen und sanften maenner suedindiens.
mein gehirn lief kurz gesagt auf volltouren. selten war ich auf einer wanderung so wenig entspannt. die natur konnte ich nicht geniessen, sie war auch so verschandelt.
ich machte die beobachtung, dass die meisten pilger das wandern nicht gewohnt waren, sie hatten also ueberhaupt keine technik und auch nicht viel kondition.
die jungen bewegten sich mit jugendlicher kraft vorwaerts und manchmal mit in der gruppe ausgestossenen kraftschreien, fielen aber nach ein paar hundert metern wieder ermattet zusammen und legten sich hin.
die alten bewegten sich mit willen und prustend, watschelnd und schwitzend vorwaerts, und wenn ich es wagte, einen zu ueberholen, dann erhoehte er gleich das tempo und es war mir, als floegen kleine fluchpfeile hinter mir her.
es gab ein paar zaehe, denen man ansah, dass sie in ihrem leben schon sehr viel gelaufen waren.
wegen meiner von der krankheit noch geschwaechten kondition war ich von anfang an ziemlich langsam gegangen, mit kleinen schritten, machte nur manchmal pause, um wasser zu trinken, setzte mich aber nie hin.
an manchen verfallenen mauern waren fotokopierte bilder von menschen mit text auf hindi angebracht und ich fantasierte, dass das menschen waren, die hier auf diesem weg verschwunden waren und auf diesem weg gesucht wurden. auf einem blatt konnte ich 25.000 lesen und dachte, 25.000 rupies belohnung fuer jeden sachdienlichen hinweis...
wahrscheinlich ging meine fantasie mit mir durch, jedenfalls war ich froh, dass ich, als der weg die "zivilisation" wieder erreichte, noch bei guter gesundheit war.
vielleicht war dieser pilgerweg frueher einmal bedeutender, aber am ende des waldes wartete jetzt nur eine tote stadt mit wenig bevoelkerung, verfallene und verfallende haeuser, leere strassen, leblosigkeit.
der shivatempel (der fuer mich eigentlich nur der vorwand fuer eine wanderung gewesen war) war im vergleich zu den tempeln suedindiens ziemlich popelig.
die meisten pilger waren uebrigens mit autos dorthin gekommen. man konnte opfergaben kaufen und sich dann einen roten shivadreizack mit einem metallstempel auf den kopf druecken lassen. diese aufgabe erfuellte ein brahmane mit einer fliessjacke und einer verfilzten hippiefrisur, der sich aber offensichtlich aufrichtig freute, mir einen shiva-dreizack auf die stirn druecken zu duerfen.
in einem anderen kleinen raum konnte man die russgeschwaerzten werkzeuge shivas, die aus einer feuerstelle ragten und von einem weiteren brahmanen bewacht wurden, beruehren.
ich hatte ziemlich schnell meine runde gemacht und wollte jetzt mit dem taxi zurueck fahren.
ein taxifahrer sprach mich gleich an, bot mir rishikesh fuer 50 rupies an, ich dachte nanu, und dann verfrachtete er mich in ein taxi, das bereits mit zwei frauen und zwei kindern besetzt waren, die bei meinem anblick vor schreck erstarrten (die kinder, nicht die frauen).
die frauen betrachteten mich gleich als ihr maskottchen und liessen sich von ihren noch draussen stehenden maennern mit mir fotografieren. sie legten mir die arme um die schultern und ich sollte auch die arme um ihre schultern, meine hand in die ihre legen, und auf diese weise wurden mit mehreren kameras mehrere bilder gemacht.
der taxifahrer hatte jetzt ein weiteres ehepaar aufgetrieben, die er neben mir ins taxi quetschen wollte. ich musste den schaltknueppel zwischen die beine nehmen. die beiden waren aber ziemlich beleibt, ausserdem wahnsinnig schlecht gelaunt und weigerten sich, neben mir platz zu nehmen.
es folgte ein wortwechsel auf hindi, dem ich gleichgueltig zusah, denn ich sass ja schon. dann bat mich der taxifahrer auszusteigen, frachtete das ehepaar auf den beifahrersitz und fuhr dann mit seiner fracht von insgesamt 6 erwachsenen und 2 kindern weg, begleitet von einem "fuck you!" aus meinem mund.
ich lief die lange reihe der taxis entlang, ohne zu begreifen, nach welchem prinzip sie besetzt werden, fragte hin und wieder "rishikesh?", worauf ein finger in irgendeine richtung deutete, in die ich dann auch lief, ohne erfolg zu haben.
es war ploetzlich sehr heiss, ich war ploetzlich sehr hungrig, ich war ploetzlich sehr muede, ich tat mir ploetzlich sehr leid.
da fragte mich ein mann "are you looking for something?" und ich sagte wahrheitsgemaess, dass ich ein taxi nach rishikesh suchte, und er sagte, ich koennte mit ihm und seiner familie und seinen freunden und deren familie in dem grossen gelaendewagen mitfahren, der dort drueben stand.
die sieben leute quetschten sich also zusammen, ich nahm neben den frauen platz, und der mann, der mich angesprochen hatte und, wie sich zeigte, ingenieur bei der indischen luftwaffe war, begann mich gleich auszufragen, ueber meine reise, meine meinung zu indien, meinen ehestand usw.
sie kamen aus delhi und machten eine kurze reise, um ein examen des ungefaehr fuenfzehnjaehrigen sohnes zu feiern.
auch die soehne wurden aufgefordert, mir fragen zu stellen. der aeltere sohn hatte eine sony digitalkamera, mit der er mich andauernd filmte.
sie fragten mich, was ich an indien aendern wuerde (ich sagte, die einstellung der leute zum muell), und hielten dann an einem teestand, um mich laenger bei sich zu behalten, wie sie sagten.
die frau des luftwaffeningenieurs bat mich, auf der steinstufe neben ihr platz zu nehmen, legte den arm um mich, nannte mich ihre freundin und lachte mich immer freundlich an. leider konnte sie nicht englisch reden, aber verstehen, was geredet wurde.
es wurde weiter gefilmt, und ich wurde weiter ausgefragt. wir tranken tee und assen jeder einen teller "maeggi" (instantnudelsuppe). wir redeten ueber die indische familienkultur und darueber, dass man in europa freier entscheiden kann, ob man heiratet oder nicht. der aeltere sohn sagte dann, er wolle auch nicht heiraten, und der bruder der anderen frau sagte, er auch nicht.
ich wusch mir meinen shiva-dreizack von der stirn, der inzwischen ein grosser verschmierter roter fleck war.
sie diskutierten im auto auf hindi weiter, ich schaute aus dem fenster auf den ganges, der inzwischen aufgetaucht war, mit weissen strudeln und darauf tanzenden rafting-booten, die der sohn filmte.
schliesslich liessen sie mich bei rishikesh aussteigen, obwohl der luftwaffeningenieur sagte, dass sie mich am liebsten fuer immer bei sich behalten wuerden, und ich ging, erleichtert ueber mein neuerliches alleinsein und familienloses dasein, gleich ins buddha cafe, wo ich mir was zu essen (heute ausnahmsweise was indisches) bestellte und hinterher einen grossen fruchtsalat.
dazu trank ich einen ayurvedischen kraeutertee.
ich unterhielt mich mit zwei jungen maennern aus israel ueber deutschland, israel und indien. der eine, der mir besonders sympathisch war, gab mir zum abschied die adresse seiner homepage, auf der ich einen dreiminuetigen horrorfilm anschauen koenne, den er selbst gemacht habe.
ich sagte, ich verspreche, dass ich mir den horrorfilm anschaue, wenn ich auch horrorfilme nicht besonders mag, aber ein dreiminuetiger horrorfilm koennte hier eine ausnahme darstellen.
dann hatte ich es aber eilig, um nicht zu spaet zu meinem reiki-kurs zu kommen.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

hallo bine! tolle geschichten ! deine angewiedertheit von der vermüllung kann ich gut nachvollziehen, ging mir in südamerika auch so... hoffe die kuhfladen kapseln helfen dir :) liebe grüße.
ruth

Sabine Neumann hat gesagt…

die kuhfladenkapseln sind leider schon alle, und so richtig gesund ist mein daermchen immer noch nicht...