Montag, 16. März 2009

was le corbusier in indien verloren hat

heute morgen verliess ich rishikesh mit einem om-t-shirt (ich konnte einfach nicht wiederstehen... aber bloss zum schlafen, oder fuer den garten, heimlich!!), einem reiki-II-diplom und einer handgemachten klangschale im gepaeck. ausserdem habe ich mir gestern dort eine neue huefttasche gekauft (modell rishikesh) und sie gegen meine uralte aus dem jahr 1998 ausgetauscht.
es war schwer, von rishikesh aufzubrechen, einfach, weil der gedanke daran, wie kompliziert und anstrengend die reise nach dharamsala sein wuerde, mich voellig laehmte.
gestern hatte ich nach einem grossen waschvormittag einen letzten besuch im "little buddha cafe" gemacht, um mir von dem kleinen kellner, der sein t-shirt mit der aufschrift "if being sexy, is a crime you can arrest me" (man beachte das komma!!) trug, eine portion gekochtes gemuese und gekochten reis servieren zu lassen (so viel zum zustand meines magens gestern) und zwei lemon soda zu trinken, waehrend ich in meinem reiki-manual las.
dann hatte ich meine letzte reikisitzung, und nachdem ich am tag zuvor etwas mit meinem lehrer zusammengerumpelt war, weil ich fand, dass er so unkonzentriert und ungeduldig war, nahm er sich jetzt schrecklich viel zeit fuer alles, und ich war erst um 22 uhr, also nach fuenf stunden, wieder im guesthouse, total geschafft und hungrig, aber ich hatte bloss eine kleine tuete cashewnuesse, die ich in mich hineinschuettete, bevor ich mich zum schlafen hinlegte.
auf den naechtlichen gassen traf ich auch die frau aus san francisco noch einmal, die vor ein paar tagen stoehnend und ruelpsend neben mir im "little buddha cafe" gesessen hatte und wuetend auf eine andere frau aus amerika gewesen war, der es aber inzwischen offensichtlich wieder besser ging, denn sie versuchte, einen lang- und schwarzhaarigen juengling an der rezeption des krishna cottage vorbeizuschmuggeln, allerdings ohne erfolg.
in der frueh packte ich, zahlte und lief los, um mich auf dem weg von allen bettlern und sadhus zu verabschieden, von dem lahmenden hund und von der schwangeren kuh, allen, die so meinen weg in den letzten zehn tagen gesaeumt und die ich irgendwie liebgewonnen habe.
ich traf den sadhu wieder, den ich vor ein paar tagen gefragt hatte, wie ich zum shivatempel komme (er teilte grade einen morgenjoint mit zwei anderen sadhus) und er fragte strahlend, ob ich wirklich die dreieinhalb stunden bergauf gelaufen bin. ich bejahte. er war genauso beeindruckt wie der luftwaffeningenieur und rief mir ein "harriooom" hinterher, der typische rishikesh-gruss, von dem ich nicht weiss, was er bedeutet.
ein letztes mal lief ich ueber die haengebruecke, die eigentlich fussgaengerbruecke heisst, was aber in der praxis "fussgaenger"- und "motorisierte zweirad"-bruecke bedeutet, und jetzt ratet mal, wer die vorfahrt hat?
ich ass ein kleines und vorsichtiges fruehstueck im madras-cafe und unterhielt mich mit einer blassen frau aus deutschland, die erst seit zwei tagen hier und seit vier tagen in indien war, aber rishikesh schon vor zwanzig jahren kennengelernt hat.
sie sagte, "als die leprakranken noch auf der anderen seite der bruecke sassen und hinter einem herschrien und -jammerten, das waren noch zeiten".
die frau war gar kein typischer rishikesh-yoga-hippie, sie siezte mich zum beispiel, was mich erst schockierte, mir dann aber gefiel. wir konnten ein kleines, feines, deutsches gespraech fuehren...
ich muss jetzt schnell was zu diesem internetcafe sagen. "internetcafe" ist ein voelliger euphemismus, aber sie nennen sich selber so. dieses "internetcafe" ist ein kleines kabuff, wo ich neben zwei jugendlichen indern sitzen, die grade eine sms mit dem text "when they make love most men have fantasies, their women don't fantasize" an irgendeinen gluecklichen schicken.
soviel zur privatsphaere. ich hab die tastatur auf den knien und weiss nicht so recht, wohin mit den fuessen, weil davor ein ausrangierter computer steht.
man kann sich indien einfach nicht vorstellen. wie schnell alles verschmuddelt und vernachlaessigt aussieht oder wirklich vernachlaessigt wird. der dreck, der sich auf den tastaturen festsetzen kann, wie man einfach werkzeug und alles moegliche herumliegen laesst und die dreckigen kabel mit einem tesafilm zusammenbindet.
ich dachte es auch auf der busreise. es ist oft ein elend, in welchem dreck und chaos die leute arbeiten und leben mussen, und die frage ist, einen wie grossen anteil das klima hat, die hitze, der monsun, und wieviel anteil die kultur hat, die mentalitaet. ich weiss es nicht. an dieser frage haben sich wahrscheinlich schon viele die zaehne ausgebissen.
es hat mich nach chandigarh verschlagen. ich bekam naemlich gestern die eingebung, hier meine busreise zu unterbrechen. chandigarh wurde auf einer anderen internetseite als etwas beschrieben, was es in indien eigentlich gar nicht geben duerfte. es ist eine stadt, die anfang der fuenfziger jahre von le corbusier auf dem reissbrett entworfen wurde, im wunsch, indien eine stadt zu schenken, in der man von null anfangen kann, in einer menschengerechten und ueberschaubaren umgebung.
deshalb ist die stadtstruktur klar und geradlinig, es gibt lauschig gedachte strassen, die von baeumen bestanden sind, und die stadt ist in sektoren aufgeteilt (ich befinde mich momentan im 22sten), aber diese klare und uebersichtliche struktur ist jetzt nicht nur von der zeit und vom wetter angefressen, sondern natuerlich von indischem leben gefuellt, das resultat ist eine etwas befremdliche mischung.
der busbahnhof ist auf jeden fall der uebersichtlichste und sauberste, den ich in indien jemals gesehen habe. was nichts daran aendert, dass sofort, als ich dem bus enttaumelt war, eine gruppe rikschazuhaelter und hotelhaie mich umringte und an den rand der verzweiflung brachte, worauf sie dann wieder sehr fuersorglich und hilfsbereit wurden.
ich habe leider nicht viel zeit, mir chandigarh anzuschauen, denn ich moechte morgen schon wieder weiter, nicht zuletzt, weil die preise hier ziemlich hoch sind (fuer mein zimmer in einem etwas ranzigen, aber freundlichen guesthouse zahle ich 700 rupies, das ist hoechstpreis auf dieser reise).
ich hatte am morgen uebrigens ziemliches glueck mit den bussen, erwischte sofort einen kleinen bus nach haridwar und dann ohne wartezeit einen anschlussbus nach chandigarh, wo mir ein sitzplatz zugewiesen wurde und es sogar platz fuer meinen rucksack unter der sitzbank gab.
busfahrten sind interessant. man kann nicht lesen (ausser der zeitung, die ich mit meinen sitz- und banknachbarn teilte), also schaut man aus dem fenster und stellt betrachtungen an. oder man schaut sich seine mitreisenden an und stellt ebenfalls betrachtungen an.
wir fuhren durch utter pradesh, wo ich die naehe delhis, bzw. old delhis auf den strassen spueren konnte. dann kamen wir nach punjab, einen teilstaat, in dem es relativ viele anhaenger der sikh-religion gibt.
diese sikh-religion ist mir auf den ersten blick sehr sympathisch. sie verbietet z.b., in abgrenzung gegen den islam und den hinduismus, das kastensystemu und das wegschliessen von frauen und lehnt den yogi-asketismus als mittel zur gottesfindung ab. die begegnung mit gott erfolgt in der meditation.
die sikhs wirken immer recht wohlhabend und gebildet. die maenner tragen diesen typischen riesigen turban und einen (oft) langen vollbart, weswegen sie mir bei dieser hitze ziemlich leid tun.
beim motorradfahren koennen sie natuerlich keinen sturzhelm aufsetzen. ein alter sikh hatte seinen turban mit einem unter dem kinn geknoteten tuch festgebunden, damit er ihm beim motorradfahren nicht wegflog.
am wegrand waren ueber kilometer weg saeuberlich aufgestapelte kuhfladentuermchen zu sehen, wahrscheinlich der brennstoffvorrat fuer das jahr. es war wirklich kunstvoll gemacht, und wenn ein solches sich nach oben verjuengendes kuhfladentuermchen fertig war, wurde es mit kuhdung ummantelt und dann mit stroh bedeckt.
ich habe mir nur meine eigenen erklaerungen zurecht gezimmert.
es ist naemlich unglaublich schwer, mit leuten ein gespraech zu fuehren, das ueber die aeussersten selbstverstaendlichkeiten hinausgeht. ihr englisch reicht einfach nicht dafuer.
manchmal gibt es inder, die eine gute schule besuchen und besonders gut englisch koennen, und sie moechten sich auch gern mit einem unterhalten. aber sie sind auch nur auf einen bestimmten typ von gespraechen gepolt und getrimmt, so dass sie manchmal klingen wie kleine sprachcomputer, humorlos und ein wenig anbiedernd.
einen inder im bus nach den kleinen kuhfladentuermchen am wegrand zu fragen kam mir ganz einfach nicht in den sinn.
die busfahrt haridwar-chandigarh dauerte sechseinhalb stunden, inkl. einer viertelstunde pause bei einem effektiven schnellrestaurant, wo man dal und naan essen konnte.
ich beschraenkte mich aber wegen meinem magen auf zwei trockene naan.
mein abendessen nahm ich im chinesischen restaurant "chopstick" zu mir. ich bestellte nudeln mit gemuese und ueberraschte den kellner wahrscheinlich dadurch, dass ich die gesamte familienportion ratzeputz aufass.
soll man einem kellner trinkgeld geben, der das fussballspiel australien-griechenland vom fernsehbildschirm wegschaltet, obwohl man als einziger gast gerade dieses fussballspiel interessiert betrachtet hat?
ich fand nein. aber ich akzeptiere auch, wenn jemand eine andere meinung hat.
noch ein nachwort: in der zeitung las ich gestern, dass der kleine junge, der von einer rostigen eisenstange durchbohrt wurde, als er von einem dach herunterfiel, ausser gefahr sei. das war doch mal eine gute nachricht!

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bei meinem Besuch in der Chandigarh ging es mir ähnlich, es ist um einiges strukturierter, ordentlicher, aber doch immer noch sehr indisch.
Werde ab jetzt hier alles lesen :)

Grüße aus Berlin

Luis

KP hat gesagt…

Finde auch dass da ein Kellner in so einem Fall kein Trinkgeld erwarten kann, auch wenn ich nicht nachvollziehen kann, warum in alles in der Welt einen das Fußballspiel Griechenland - Australien interessiert. Vielleicht hat er's also gut gemeint und sollte eigentlich mit einem extra hohen Tip belohnt werden? Also doch keine eindeutige Antwort auf die Frage. Dass Dir Sikhs sympathisch sind kratzt an meinem vorurteilsgeprägten Bild von Ihnen (finster!) und das ist gut so. Dafür sind Reisen, auch die Reisen anderer, ja da.

Schicke eine Umärmelung, KP

Anonym hat gesagt…

...nicht viel dazu - außer: Corbusier lockt anscheinend meine Familie zu dir nach Indien ;-)
UND: ich schließe mich KP voll und ganz und von ganzem Herzen an!!! (Und das ist nicht der erste Kommentar von KP, den ich so kommentieren möchte...)
Jte (+ auch KP + Luis)
Nati ausm Woid

Sabine Neumann hat gesagt…

oh ploetzlich so viel besuch bei mir, da freudelts mich aber. was soll ich sagen zum thema fussballspiel griechenland-australien: wenn man mal vor der glotze sitzt und was versteht (da ist ein ball, der muss ins tor), dann will man das halt vielleicht sehen in chandigarh. hab ich das ruebergebracht?